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Schon wieder schrumpft die Berner Deputation im Nationalrat. Dieses Mal verliert wohl die SVP einen Sitz.
Doris Kleck
Bern gilt nicht gerade als dynamischster Kanton der Schweiz. Oft wird darüber gespottet, dass der Kanton der grösste Empfänger von Geldern aus dem Finanzausgleich ist. Tapfer wehren sich die Berner zwar gegen das Klischee des trägen Kantons. Doch bei der Zuteilung der Nationalratssitze ist die Grösse der Bevölkerung entscheidend. Und hier bekommt Bern die abnehmende Bedeutung knallhart zu spüren. Mitte der 60er-Jahre belegten die Berner noch 34 der 200 Sitze. Heute sind es noch 25. Bereits 2015 verloren die Berner einen Sitz im Bundeshaus. Diesen Herbst wird die Berner Delegation nochmals kleiner. Um 24 Sitze kämpfen die 651 Kandidatinnen und Kandidaten. Wer künftig den Kanton Bern im Nationalrat vertreten will, muss also noch mehr Stimmen gewinnen als letztes mal. Der Kampf wird härter.
2015 haben die Grünen ihren dritten Sitz verloren. Aline Trede wurde abgewählt. Mittlerweile ist die 36-jährige Politikerin wieder im Nationalrat. Die Narben der Abwahl sind zwar noch da, mit einem Déjàvu muss sie aber nicht rechnen.
Die Zitterpartie trifft dieses Jahr die SVP. Neun Sitze gewann die Partei bei den letzten Wahlen. Sie erreichte 33 Prozent. Und das obwohl sich in Bern die BDP abgespalten und profiliert hat. Den neunten Sitz gewann die SVP, genauer gesagt Erich Hess, aber nur dank Proporzglück. Dass sie ihn halten kann, gilt als wenig wahrscheinlich. Einerseits, weil Bern einen Sitz verlieren wird. Andererseits weil die SVP in einem Formtief steckt. Bei den Grossratswahlen 2018 verlor die Partei drei Sitze. Kommt dazu, dass der langjährige Fraktionschef Adrian Amstutz nicht mehr antritt und der Partei damit eine wichtige Wahllokomotive fehlt. Und dass die Freisinnigen auch heuer wieder lieber alleine ins Rennen steigen als mit der SVP. Kantonalpräsident Werner Salzmann wetterte. Restmandate drohten damit an die Linke zu gehen.
Auch die SP ergatterte vor vier Jahren ihren sechsten Sitznur dank Proporzglück. Allerdings sind die Genossen in Bern in weitaus besserer Form als die SVP. Bei den kantonalen Wahlen gewann die SP fünf Sitze hinzu. Traditionell tritt die SP im Kanton Bern mit je einer Frauen- und einer Männer- Liste an. Bei den Herren treten alle drei Bisherigen wieder an. Bei den Frauen tritt die langjährige Nationalrätin Margret Kiener Nellen nicht mehr an. Ihren Sitz könnte sich Tamara Funiciello sichern, die bis kurzem die Juso präsidierte und national bekannt ist. Allenfalls könnte der Wackelsitz im linken Lager auch den Grünen zufallen, die noch mehr von der aktuellen Themenkonjunktur – Klima und Frauenfragen – profitieren als die SP. Politikberater Mark Balsiger hat zudem berechnet, dass das Linke Lager gar einen zusätzlichen Sitz gewinnen könnte – auf Kosten der Mitte.
Dort kämpft die BDP um ihr politisches Überleben. Bern ist, nebst Graubünden, der wichtigste Kanton für die einstige Bundesratspartei. Die BDP stellt derzeit drei Nationalräte. Sie muss den Rücktritt von Gründungspräsident und Zugpferd Hans Grunder verkraften. Trotzdem sind die Chancen intakt, dass die Partei den dritten Sitz halten kann. Denn Regierungsrätin Beatrice Simon tritt sowohl für den Ständerat wie auch für den Nationalrat an. Simon war bei den letzten bei den Gesamterneuerungswahlen jeweils die bestgewählte Regierungsrätin.
BDP, GLP, CVP, EVP und die Piratenpartei sind zusammen eine Listenverbindung eingegangen. Dass es innerhalb des Mitteblocks zu Verschiebungen kommt, gilt als wenig wahrscheinlich. Die EVP wird auch künftig eine Nationalrätin stellen, die Grünliberalen werden wohl bei zwei Sitzen bleiben.
Alleine ins Rennen steigt die FDP. Die Partei will zwar einen dritten Sitz gewinnen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die bisherigen Christa Markwalder und Christian Wasserfallen wieder gewählt werden und der dritte Sitz Wunschdenken bleiben wird.
Berner Köpfe
Der Name ist Programm: Hans Stöckli will wieder ins Stöckli. Der 67-Jährige ist seit 2011 SPStänderat. Die Kandidatur des Seniors freut vor allem Partei-Präsident Christian Levrat.
Sie ist der Rettungsanker der BDP. Die Regierungsrätin Beatrice Simon soll den einzigen BDP-Ständeratssitz verteidigen und als Wahllokomotive den dritten Nationalratssitz sichern.
Die Präsidentin der Grünen will in den Ständerat. Regula Rytz könnte im innerlinken Duell Hans Stöckli gefährlich werden. Sie setzt auf die Frauenkarte und die Ökologie.
Kein anderer FDP-Politiker nervt sich derart über die Klimawende seiner Partei wie Christian Wasserfallen. Mit 38 Jahren ist er ein alter Politfuchs. Er dürfte zum vierten Mal gewählt werden.
Zweimal ist BDP-Politiker Heinz Siegenthaler bereits in den Nationalrat nachgerückt, direkt schaffte er die Wahl noch nie. Auch heuer muss der Cannabis-Bauer zittern.
Der SVP-Politiker ist ein Unikat. Erich Hess sitzt in den Parlamenten der Stadt Bern, des Kantons Bern und im Nationalrat. Er dürfte sein Mandat verteidigen, weil Adrian Amstutz zurücktritt.
Grünen-Präsidentin Rytz fordert heraus
Ständerat Die Zeit der ungeteilten Standesstimme, als SVP und FDP die Ständeratssitze quasi unter sich verteilten, ist in Bern längst vorbei. Genauer, seit die einstige Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga 2003 ins Stöckli einzog. Seither ist die Berner FDP nicht mehr in der kleinen Kammer vertreten. Das gleiche Schicksal erreichte die SVP 2008 – weil Ständerat Werner Luginbühl zur BDP wechselte.
Luginbühl tritt nun aber nicht mehr an. Die BDP versucht, ihren letzten Ständeratssitz mit Regierungsrätin Beatrice Simon zu retten. Die Chancen sind intakt. Die Finanzdirektorin gilt als gemässigt bürgerlich und kommt bei der Bevölkerung gut an. Die SVP tritt mit Werner Salzmann an. Allerdings dürfte der kantige SVP-Vertreter Beatrice Simon kaum gefährlich werden.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist die Ausgangslage nicht minder interessant. SP-Ständerat Hans Stöckli will seinen Sitz verteidigen. Der ehemalige Bieler Stadtpräsident ist, wie einst Sommaruga, bis weit in die Mitte hinein wählbar. Herausgefordert wird er von Regula Rytz. Die Präsidentin der Grünen spricht von einer «freundschaftlichen Konkurrenz.» Schon jetzt ist klar, dass im zweiten Wahlgang der besser klassierte aus der ersten Runde antreten wird. Die Auguren glauben, dass sich Stöckli durchsetzen wird. Rytz hat aber zwei Trümpfe: das Geschlecht und die Ökologie. Während Stöckli sich für die Olympiakandidatur Sion 2026 ins Zeug legte, kämpfte Rytz erfolgreich auf der Gegenseite. (dk)