Seit seiner Auszeichnung in der Wein-Zeitschrift «Falstaff» zum beliebtesten Nachwuchswinzer der Schweiz ist Noel Baumgartner ein gefragter Interviewpartner. Für das Gespräch mit dieser Zeitung muss er seine Arbeit im Rebberg unterbrechen. Auf zwei Parzellen des elterlichen Betriebs, Baumgartner Weinbau Tegerfelden, müssen Reben ersetzt werden. «Das ist immer ein schöner Moment», sagt Baumgartner. Und immer auch ein Entscheid mit grosser Tragweite. Denn die Wahl der Reben hat Auswirkung auf die Weinproduktion der nächsten dreissig Jahre. Sie muss sorgfältig auf den Traubensortenspiegel abgestimmt sein, der bei Baumgartner derzeit um die 15 Sorten umfasst.
Noel ist inmitten von Reben aufgewachsen. Heute steht mit ihm und seinen Geschwistern die dritte Winzergeneration am Start. Die «Falstaff»-Auszeichnung sei eine Ehre und auch eine Bestätigung, als Winzer wahrgenommen zu werden.
Alles begann mit Noels Grossvater, dessen geerbtem Rebberg und dem Verkauf von Trauben. Der Grossvater habe das Winzer-Hobby zum Beruf gemacht, erklärt Noel. In den 1990ern baute Noels Vater das Unternehmen aus. Heute umfasst es 13 Hektaren Rebland in fünf Gemeinden.
Winzern ist vielfältig
Noel ging erst mal eigene Wege. Er wurde Zimmermann, liess sich erst später zum Winzer und letztes Jahr zum Weinbautechniker HF ausbilden. In seinen Wanderjahren hat Noel Weinproduktionen in Neuseeland und Frankreich kennen gelernt. Mit der Expertise wuchs auch die Leidenschaft. «Winzern umfasst so vieles. Mal steht Arbeit am Rebberg an, dann im Keller und im Labor.» Dazu kommen Marketing und Verkauf. Die Zusammenarbeit mit der Familie und den Angestellten sei super schön. Sehr am Herzen liegt ihm die Nähe zu den Kundinnen und Kunden. Manche kennt er, seit er ein kleiner Bub war. Der Kundenkontakt zu Corona-Zeiten hätten alle Baumgartners vermisst, kommentiert Noel die Situation der vergangenen 15 Monate. Aber Not macht erfinderisch: So wurde ein Degustationsparcours mit 2-cl-Weindispensern eingerichtet, den die Kunden selbstständig und mit Abstand geniessen konnten.
Während einer Projektreise ins Südtirol keimte bei Noel eine neue Idee auf.
Ideen, die sich mit Unternehmergeist paaren, sind Noel nicht fremd. Letztes Jahr lancierte er mit dem «Pinotivo by Noel» seinen ersten Wein. Traditionellerweise seien Rotweine trocken, erklärt er. «Die elegante Pinot-noir-Traube lässt sich aber auch in ganz andere Weine übersetzen. Leicht, fruchtig oder körperbetont aus dem Barrique.» Noel entschied sich für einen eigenen Weinstil: Er beliess seinem Pinotivo die natürliche Restsüsse. Eine mutige Neuschöpfung, die ins Schwarze traf. Der Wein wurde zum Bestseller.
Ein Lagrein im Zurzibiet
Während einer Projektreise ins Südtirol keimte bei Noel eine neue Idee auf. Er wollte den Lagrein im Zurzibiet anpflanzen. «Noch vor zehn Jahren wäre es ein No-Go gewesen, im Surbtal auf eine so sonnenverwöhnte Traubensorte zu setzen. Doch seither haben die Sonnenstunden zugenommen. Der typische Kalkboden der Juraausläufer jedenfalls sei für den Lagrein wie gemacht. Noel setzte sich durch. Fünf Jahre nach Ausbringung der Reben ist es kommenden Herbst so weit: Der erste Lagrein aus dem Haus Baumgartner Weinbau wird erstmals abgefüllt. Es dürfte schweizweit einer der ersten Lagreine überhaupt sein. Tiziana Ossola
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