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Die grosse Maudet-Frage

Die Sozialdemokraten wollen den sechsten Sitz im Nationalrat zurück.

Die grosse Maudet-Frage

Lisa Mazzone (Grüne) und Carlo Sommaruga (SP) wollen in den Ständerat. Bild: Key

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Skandale dominieren in Genf den Ausgang der Wahlen – und könnten für eine Überraschung sorgen.

Benjamin Weinmann aus Genf

Es gäbe die steigenden Gesundheitskosten. Oder die Klimaerwärmung. Doch es sind nicht die drängenden Politthemen, welche die Genfer im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen beschäftigen. Es sind die Umstände. So erhält der Kanton aufgrund seines starken Bevölkerungswachstums einen zusätzlichen Sitz im Nationalrat. Neu sind es zwölf. Im Ständerat kommt es zu einer Doppelvakanz. Und dann wären da noch die Skandale der letzten Monate und Wochen.

So hallt insbesondere die Affäre um den FDP-Staatsrat Pierre Maudet noch immer nach. Bis vor rund einem Jahr befand sich dessen Partei im Aufwind. Maudet war das Zugpferd der «Libéraux-Radicaux». Doch als vergangenen Sommer seine umstrittene Reise an ein Formel-1-Rennen in Abu Dhabi aufflog, zu der die Staatsanwaltschaft bis heute ermittelt, stürzte die FDP in eine Krise. Eine Krise, von der sich die FDP Genf noch nicht erholt hat – und die für die Wahlen entscheidend sein dürfte.

«Wäre die Maudet-Affäre nicht gewesen, hätte die FDP gute Chancen gehabt, den zusätzlichen Sitz im Nationalrat zu ergattern», sagt David Haeberli, Leiter der Genfer Redaktion von «Le Temps». Nun, so der Politjournalist, dürften die Freisinnigen auf ihren drei bisherigen Sitzen verharren. Immerhin: Damit bleiben sie die stärkste Partei im Kanton.

Fragt sich, wer die Gunst der Stunde nutzen kann. Haeberli tippt auf die Grünen. «Das Momentum mit den vielen Klima-Protesten ist klar auf ihrer Seite.» Und was ist mit den Grünliberalen, die in der Deutschschweiz deutlich zulegen dürften? Laut Haeberli fehlen ihnen in Genf genügend bekannte Kandidaten. «Vielleicht können sie in vier Jahren mitreden. Jetzt ist es aber noch zu früh.» Auch, weil die CVP die Themen der Grünliberalen in der Romandie stärker abdeckt als in der Deutschschweiz.

Doppelvakanz im Ständerat sorgt für Spannung

Die CVP dürfte ihren Sitz im Nationalrat behalten. Allerdings droht ihr derzeit ähnliches Ungemach wie der FDP mit der Maudet-Affäre. So gab kürzlich CVP-Staatsrat Serge dal Busco bekannt, 2018 eine Wahlkampfspende von 10 000 Franken von der Hotel-Gruppe Manotel erhalten zu haben. Er habe das Geld jedoch nicht angefasst und nun alles zurückbezahlt, so der Vorsteher des Verkehrsdepartements. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.

Wegen einer Manotel-Spende hatte die Staatsanwaltschaft Anfang Jahr das Verfahren gegen Pierre Maudet ausgeweitet, wegen des Verdachts auf illegale Spenden. Die Firma soll auch eine teure Geburtstagsparty von Maudet gesponsert haben. Für die CVP ist es zudem nicht der erste Skandal in letzter Zeit: Vergangenen Herbst stolperte der Staatsrat und Nationalrat Guillaume Barazzone über seine Spesenexzesse. Er kündigte darauf seinen Rückzug aus der Politik an. Seinen Sitz im Nationalrat sollte die CVP verteidigen können.

Neu gemischt werden die Karten bei den Ständeratswahlen. Die Bisherigen Liliane Maury Pasquier (SP) und Robert Cramer (Grüne) treten ab. Beide Parteien haben gute Chancen, ihre Sitze zu verteidigen. «Le Temps»-Politexperte Haeberli sieht Carlo Sommaruga (SP) und Lisa Mazzone (Grüne) in der Poleposition. «Als gewählte Nationalräte haben beide ein starkes Profil und sind regelmässig in den Medien präsent.» Allerdings handle es sich bei der jetzigen Ständeratskonstellation um eine Anomalie, da Genf eigentlich ein rechter Kanton sei. Das Stöckli ist jedoch seit Jahren in linker Hand, und dürfte es mit Sommaruga und Mazzone auch bleiben. Ausser es käme zu einer Überraschung.

Die Überraschung im Ständerats- Wahlkampf könnte Hugues Hiltpold heissen. Der ruhig auftretende FDP-Politiker sorgte für Aufsehen in der Maudet-Affäre, als er dessen Rücktritt gefordert hatte – im Gegensatz zur städtischen FDP, die dem umstrittenen Magistraten weiterhin deren Unterstützung zusagt.

Sei es im National- oder im Ständerat: Ohne Maudet geht nichts.

Die SP und die FDP kämpfen um die Vorherrschaft

Die Sozialdemokraten wollen den sechsten Sitz im Nationalrat zurück.

Der drittgrösste Kanton der Schweiz ist in den vergangenen Jahren besonders stark gewachsen, weshalb er einen zusätzlichen Nationalratssitz erhält. Von den derzeit 18 Sitzen besetzen die SP und die FDP je fünf und die SVP deren vier. Die Sozialdemokraten wollen sich den sechsten Sitz zurückholen. Diesen hatten sie bei den Wahlen vor vier Jahren an die FDP abtreten müssen – ebenso den Titel der wählerstärksten Partei des Kantons. Die fünf bisherigen SP-Nationalräte treten wieder an. Zudem will Gewerkschaftsbund-Präsident Pierre-Yves Maillard nach seinem Rücktritt aus der Waadtländer Regierung in den Nationalrat zurückkehren, in dem er um die Jahrtausendwende schon einmal während fünf Jahren sass.

CVP muss um ihren einzigen Sitz kämpfen

Die FDP muss den Sitz von Fathi Derder verteidigen, ins Rennen steigt unter anderem die amtierende Regierungsrätin Jacqueline de Quattro. In den Reihen der SVP verzichtet Alice Glauser-Zufferey auf eine erneute Kandidatur. Intakte Chancen auf einen Sitzgewinn haben die Grünen, die heute zwei Mandate haben. Um ihren einzigen Sitz kämpfen muss die CVP. Amtsinhaber Claude Béglé sorgte mit seiner Reise nach Nordkorea und seinen Äusserungen zur dortigen Diktatur für Stirnrunzeln. Isabelle Chevalley, die den einzigen Sitz der GLP ausserhalb der Deutschschweiz hält, tritt wieder an.

Spannung verspricht das Rennen um die beiden Waadtländer Ständeratssitze. Der Freisinnige Olivier Français, der vor vier Jahren den Grünen Luc Recordon aus dem Stöckli verdrängt hatte, will wiedergewählt werden. Frei wird hingegen der SP-Sitz: Die bisherige Ständerätin Géraldine Savary zieht sich nach einer Spendenaffäre aus der Politik zurück. Bei der Kandidatenkür setzte sich Nationalrätin Ada Marra gegen den Chef der SP-Bundeshausfraktion, Roger Nordmann, durch. Für die Grünen will Nationalrätin Adèle Thorens den vor vier Jahren verlorenen Sitz zurückerobern. Sie hat zumindest Aussenseiterchancen, während die Kandidaturen der SVP und der Grünliberalen nur geringe Erfolgsaussichten haben. (bär)

SP und CVP führen ihre Machtteilung fort

Jura

Im jüngsten Schweizer Kanton stehen die Zeichen auf Stabilität. Die beiden amtierenden Nationalräte treten nämlich wieder an. Da ist zu einem der Arzt Pierre-Alain Fridez, der seit 2011 für die SP im Nationalrat sitzt. Und zum anderen der Veterinär Jean- Paul Gschwind, der seit 2011 die CVP vertritt. Die beiden streben also eine dritte Amtszeit an. Weil sie den weitaus wählerstärksten Parteien angehören und fest im Sattel sitzen, ist ihre Wiederwahl kaum gefährdet.

Zwei Regierungsräte für den Ständerat

Die Vertreter des Ständerats werden im Jura im Proporzverfahren gewählt. Hier gibt es zwar zwei Rücktritte zu verzeichnen, doch zumindest parteipolitisch wird auch bei der Wahl ins Stöckli Kontinuität erwartet. SP und CVP teilen sich die beiden Ständeratssitze seit 20 Jahren. Charles Juillard, der starke Mann der jurassischen Regierung, wird den Sitz von Anne Seydoux-Christe beerben. Der Schritt ist sorgfältig geplant. Juillard ist Vizepräsident der CVP Schweiz und Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren. Er hat also bereits Luft in der Bundespolitik geschnuppert. Bei der SP gibt die ehemalige Regierungsrätin Elisabeth Baume- Schneider ihr politisches Comeback. Sie wird voraussichtlich als Nachfolgerin von Claude Hêche gewählt. (dk)

Verdrängen die Grünen den einzigen Kommunisten im Nationalrat?

Die SVP steht vor einer schwierigen Wahl. Wer profitiert, ist offen.

Im Kanton Neuenburg gibt es ein Unikum: Denis de la Reussille politisiert seit vier Jahren im Nationalrat. Er ist der einzige Vertreter der Partei der Arbeit überhaupt. Doch sein Sitz wackelt. Die Grünen könnten ihn erobern. Für die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat würde dies freilich kaum einen Unterschied machen. De la Reussille gehört der Fraktion der Grünen an. Vier Vertreter stellt der Kanton im Nationalrat. Nebst dem Kommunisten tritt auch Philippe Bauer (FDP) nochmals an. Jacques-André Maire (SP) und Ex-SVP-Mann Raymond Clottu beenden ihre Karriere in Bundesbern. Die SVP will ihren Sitz mit einem alten Bekannten zurückholen: Yvan Perrin. Er musste jedoch 2014 wegen eines Burn-outs und Alkoholproblemen als Regierungsrat zurücktreten. Dass er den SVP-Sitz retten könnte, gilt mehr als fraglich. Offen ist, ob es der FDP gelingt, den SVP-Sitz übernehmen. Auch der linke Block strebt einen Sitzgewinn an.

Wie im Kanton Jura wählt Neuenburg seine Standesvertreter im Proporzverfahren. Die beiden amtierenden Ständeräte treten nicht mehr an. Die Auguren gehen davon aus, dass FDP und die SP ihre Sitze verteidigen können. Nationalrat Philippe Bauer ist so gut wie gewählt. Spannender ist die Ausmarchung bei der SP. Auf der Liste treten Silvia Locatelli und Martine Docourt Ducommun an. Wer mehr Stimmen macht und ins Stöckli einziehen wird, ist offen. (dk)

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