Schreinerin, Modellbauerin, MPA, Fachfrau Betreuung: Lea Hirschi probierte im 8. Schuljahr der Sekundarschule einiges aus. Nirgends wollte der Funke so richtig springen. Dann zeigte ihr der Lehrer eine Lehrstellenausschreibung als Industriepolsterin bei Intertime AG in Endingen. Diesen Beruf hatte Lea bisher nicht auf dem Radar. Von der Firma kannte sie einzig den in Sofaform geschnittenen Buchsstrauch vor dem Geschäft.Die Schnupperwoche, urteilt Lea rückblickend, habe ihr einen ziemlich detaillierten Einblick in Beruf und Firma ermöglicht. Der Job erwies sich als «extrem abwechslungsreich ». Nicht nur das habe sie begeistert. «Mir gefiel auch das angenehme Arbeitsklima und dass es die Mitarbeitenden gut untereinander haben.» Die Zusage auf ihre Bewerbung habe sie gefreut. Sie war auch ein Erfolgserlebnis nach einer langen Phase von «try und error». Das brauche es aber. «Schnuppern, schnuppern, schnuppern», rät sie allen Jugendlichen auf Lehrstellensuche. «Ausprobieren ist so wichtig, um zu merken, was für einen stimmt und was nicht. Nur so kommt man ans Ziel.»Jetzt geht es besserPolstern ist ein Prozess präzis aufeinander abgestimmter Arbeitsschritte. Jeder erfordert viel handwerkliche Sorgfalt. «Geht ein Schritt schief, stimmt am Schluss das Gesamtprodukt nicht», erklärt Lea. Erst wird das Bezugsmaterial zugeschnitten und genäht. Gleichzeitig wird ein Gestell, etwa eines Stuhls, mit Schaumstoff und Watte vorgepolstert. Die Krönung und zugleich Leas Lieblingstätigkeit ist das Beziehen.Bei Intertime arbeiten die Polsterer mit edlem Leder und kostbaren Textilien. Fehler bei den einzelnen Arbeitsschritten gehen ins Geld. Es sei eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der es nicht nur eine präzis geführte Hand braucht, sondern auch «extrem viel Kraft». Diese fehlte der zierlichen Frau zu Lehrbeginn noch. Schultern, Rücken und Arme begannen zu schmerzen, und Lea musste ins Muskelaufbautraining. Jetzt gehe es viel besser.Wertschätzung motiviert«Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Intertime sind sehr herzlich», erzählt Lea weiter. Wertschätzung sei total motivierend. «Ich habe bei Intertime viele Mamis und Papis, die sich gut um mich kümmern. Man lässt mir genug Zeit, neue Aufgaben zu lernen. Und ich schätze, dass man Danke sagt.» Da höre man ja auch anderes im Kollegenkreis, wo Jugendliche abends nach der Arbeit einfach traurig seien, weil es an Anerkennung mangle.In der Deutschschweiz sind derzeit sieben junge Frauen und sechs Männer in der dreijährigen Industriepolsterer-«Stifti». Bisher besuchte Lea die Berufsschule in Lenzburg. Ab Sommer müssen die Lernenden nach Solothurn zur Schule. Ein Wermutstropfen – eigentlich sogar zwei: Lea verliert in Lenzburg nicht nur viele Kolleginnen und Kollegen. Mit Zug und Bus erwartet sie ein zweistündiger Anreiseweg. Das bedeutet: Wecker stellen noch vor 5 Uhr. Selbst für Lea, die täglich um 7 Uhr im Atelier steht, ein gar früher Weckruf. Tiziana Ossola